von: Anna Hover – FIR e. V. an der RWTH Aachen
Der Wandel zur Elektromobilität betrifft insbesondere die Zulieferer der Automobilindustrie, die sich bisher auf Komponenten für den Verbrennungsmotor konzentrierten. Viele bis dato für den Verbrenner benötigte Komponenten fallen weg, einige müssen an die Anforderungen für den elektrischen Antriebsstrang angepasst werden und völlig neue kommen hinzu. Überflüssige und sich verändernde Komponenten finden sich vor allem in den Bereichen Antriebsstrang und Fahrwerk. Zulieferer in diesem Bereich sind besonders gefordert, ihre Geschäftsmodelle neu auszurichten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auch zukünftig sicherzustellen.
Auf- und Umbruchstimmung bei Zulieferern im Antriebsstrang
Je stärker der Fokus der automobilen Zulieferindustrie auf dem Verbrennungsmotor liegt, desto größer ist die Notwendigkeit zu einer umfassenden Geschäftsmodell-Transformation. Da sich die Anzahl der Teile im elektrischen Antriebsstrang drastisch reduziert, ist nicht nur das Geschäft mit Neuprodukten, sondern auch das Ersatzteilgeschäft der Zulieferer gefährdet. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor entfallen etwa 80% der Wartungskosten auf antriebsstrangspezifische Verschleißteile. Elektrisch betriebene Fahrzeuge haben dagegen nur wenige Verschleißteile, womit das Ersatzteilgeschäft in der neuen Mobilität fast vollständig wegfällt. Dies beeinträchtigt die aktuellen und zukünftigen Wertschöpfungspotenziale der Elektromobilität. Die Konstruktion und Herstellung von Elektromotoren ist im Vergleich zu traditionellen Verbrennungsmotoren grundsätzlich weniger komplex. Dies liegt daran, dass sie weniger Teile benötigen und die Produktionsverfahren vereinfacht sind, was insgesamt zu einem geringeren Investitionsbedarf und Entwicklungsaufwand führt. Diese Faktoren erleichtern nicht nur den Markteintritt, sondern machen das Marksegment auch für neue Akteure attraktiver. Um in einem Markt, der zunehmend wettbewerbsintensiver wird, erfolgreich zu sein, sind Zulieferer zunehmend gezwungen, ihr Produktangebot durch kundenbezogene Mehrwerte und Differenzierungsmerkmale von der Konkurrenz abzuheben (s. Luhn 2021, S. 7ff.).
Schlüsselkomponenten von Antriebsstrang und Fahrwerk im Wandel
Wesentliche Komponenten des traditionellen Antriebsstrangs, wie der Motor und alle dort verbauten Teile, die vorgelagerte Kraftstoffversorgung sowie die nachgelagerte Abgasanlage, werden beim elektrischen Antrieb nicht mehr verwendet. Gleiches gilt für die Komponenten der Kupplung aufgrund der grundlegend andere Drehmomentcharakteristik eines Elektromotors im neuen Antriebsstrang. Lediglich Teile der traditionellen Getriebe- und Antriebstechnik können in aktueller oder modifizierter Form auch im elektrischen Antriebsstrang eingesetzt werden (s. Luhn 2021, S. 107ff.).
Eine Übersicht über die Komponenten und ihre jeweilige Einordnung ist in Tabelle 1 zusammengefasst. Rot hinterlegte Komponenten werden im elektrifizierten Antriebsstrang nicht mehr eingesetzt und gelten als überflüssig. Bei gelb hinterlegten Komponenten sind Modifikationen erforderlich, um diese in der E-Mobilität einzusetzen. Grün hinterlegte Komponenten erfordern keine Modifikation für den elektrischen Antriebsstrang.
Betrachtet man die bestehenden Komponenten des Fahrwerks, so ist es möglich, einen größeren Teil der Komponenten in der bestehenden Konfiguration zu übernehmen. Zu den übertragbaren Komponenten zählen die Reifen und Felgen, die Radträger und Radführungen sowie die Bereiche der Federung und Dämpfung. Hier liegt eine hohe Anwendbarkeit vor. Besonders im Bereich der Radaufhängung wurden anfangs neue Entwicklungen erwartet. Durch die zunehmenden Gewichte der Batteriepakete und der hohen Geschwindigkeiten, die neu entwickelte Elektroautos erreichen, ist es sinnvoll, weiter an den bestehenden Komponenten festzuhalten. Im Lenksystem wird durch einen Verzicht auf hydraulische Systeme eine „Steer-by-Wire“-Technologie eingesetzt. Diese erfasst den Lenkwinkel über Sensoren und gibt diesen elektronisch an das entsprechende Antriebselement am Rad weiter, so dass die Lenksäule und die Servopumpe im neuen Lenksystem nicht mehr erforderlich sind. Der größte Effekt zeigt sich in den Komponenten der Radbremsen. Durch die Umstellung auf elektromechanische Bremsen entfallen die hydraulischen Komponenten des Bremssystems. Dank Rekuperation im Elektromotor reduziert sich die allgemeine Bremslast des Fahrzeuges, was eine Anpassung von Bremsbelägen, -scheiben und -kolben erfordert. (s. Luhn 2021, S. 110ff.). Eine Übersicht der Komponenten des Fahrwerks ist in Tabelle 2 dargestellt. Die farbliche Einordnung orientiert sich an der Einordnung der Komponenten des Antriebsstrangs.
Die Implementierung neuer Technologien im modernen elektrisch betriebenen Fahrzeug ist außerdem mit einer Vielzahl neuer Komponenten verbunden, die von Zulieferern oder Herstellern neu entwickelt oder in anderer Konfiguration produziert werden müssen. Die Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs sind in Tabelle 3 dargestellt. Die weiß hinterlegten Komponenten können in ihrer bestehenden Konfiguration aus dem traditionellen Antriebsstrang übernommen werden. Für die hellgrau hinterlegten Komponenten sind zusätzliche Modifikationen nötig. Für die grün hinterlegten Komponenten bestehen keine vergleichbaren Komponenten im traditionellen Antriebsstrang. Sie müssen demnach neu entwickelt werden (s. Luhn 2021, S. 112f).
Tabelle 3: Komponenten eines Elektrofahrzeuges (eigene Darstellung i. A. a. Luhn 2021, S. 114)
Motorkomponenten, wie Rotor, Stator und Gehäuse des Elektromotors sind gänzlich neue Komponenten des Antriebsstrangs. Die Rotorwelle, die Rotorlagerung und das Lüfterrad können dagegen in veränderter Form aus den bestehenden Komponenten des Verbrennungsmotors übernommen werden. Dies gilt auch für den angepassten Kabelbaum und entsprechende Anschlussleitungen von Motor und Batterie. Auch ein Teil der Getriebekomponenten kann von aktuellen Zulieferern hergestellt werden. Ihr Beitrag zur Wertschöpfung ist aufgrund der geringeren Komplexität eines Elektromotors allerdings wesentlich geringer als dies bei einem Verbrennermotor der Fall ist. Beispiele sind etwa das einfachere Gehäuse, weniger Zahnräder und eine vereinfachte Schaltvorrichtung. Die Batteriekomponenten sind neu und haben keine direkten Äquivalente in traditionellen Antrieben. Hinsichtlich der Zusatzgeräte gibt es eine Änderung beim Klimakompressor: Da keine Motorwärme mehr vorhanden ist, wird auch ein neues Heizelement benötigt (s. Luhn 2021, S. 113ff.).
Resilienz der Zulieferindustrie im Zeitalter der E-Mobilität
Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs zeigt ihren starken Einfluss auf die Wertschöpfung besonders deutlich, betrachtet man die Umsatzanteile der in der Elektromobilität nicht mehr benötigten Komponenten für Antriebs- und Fahrwerktechnik. Aus Abbildung 1 geht hervor, dass bis zu 80% des Umsatzes im Antriebsstrang auf Komponenten entfallen, die bei einer Elektrifizierung nicht mehr erforderlich sind.
Zulieferer für Teile des Antriebsstrangs, der Kraftstoff- und Abgassysteme sowie des Getriebes sind damit besonders von diesen Veränderungen betroffen. Für Zulieferer von Achsen, Bremsen, Klima- und Kühlsystemen besteht ein mittleres Risiko. Ihre Produktionsstätten und Systeme können mit kleinen Änderungen auf neue Teile umgerüstet werden, die sich in Elektrofahrzeugen verwenden lassen. Zulieferer für die Karosserie, den Innenausbau und Multimediasysteme sind am wenigsten anfällig. Sie müssen nur minimale Anpassungen in der Produktion und gegebenenfalls in der Softwareentwicklung vornehmen, um den Anforderungen von Elektrofahrzeugen zu entsprechen..
Strategische Neuausrichtung der Zulieferindustrie im Zeitalter der Elektromobilität
Die Transformation zur Elektromobilität stellt insbesondere für Zulieferer der Automobilindustrie, die sich bisher auf Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert haben, eine erhebliche Herausforderung dar. Der Wechsel zum elektrischen Antriebsstrang führt zu einer drastischen Reduktion der benötigten Teile und damit verbunden zu einem signifikanten Rückgang im Geschäft mit Neuprodukten sowie im Ersatzteilgeschäft. Dies liegt vor allem daran, dass elektrische Fahrzeuge weniger Verschleißteile benötigen und die Konstruktion sowie Herstellung von Elektromotoren im Vergleich zu Verbrennungsmotoren weniger komplex ist.
Für Zulieferer bedeutet dies, dass sie ihre Geschäftsmodelle grundlegend überdenken und anpassen müssen, um in einem sich wandelnden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung neuer Produkte für den elektrischen Antriebsstrang, sondern auch um die Anpassung oder die Ablösung bestehender Komponenten. Einige Teile des traditionellen Antriebsstrangs und Fahrwerks können in modifizierter Form weiterhin verwendet werden, während andere komplett neu entwickelt werden müssen oder wegfallen.
Die Resilienz der Zulieferindustrie in der Ära der Elektromobilität wird maßgeblich davon abhängen, wie schnell und effektiv Unternehmen sich an die neuen Gegebenheiten anpassen können. Während Zulieferer für Antriebsstrang, Kraftstoff- und Abgassysteme sowie Getriebe einem hohen Risiko ausgesetzt sind, besteht für Zulieferer von Achsen, Bremsen, Klima- und Kühlsystemen ein mittleres Risiko. Zulieferer für Karosserie, Innenausbau und Multimediasysteme sind am wenigsten betroffen, müssen jedoch ebenfalls Anpassungen vornehmen.
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Kontakt: tuwas@iwu.fraunhofer.de
Literaturverzeichnis
Luhn, M.: Transformation zur Elektromobilität: eine empirische Analyse zur Identifizierung der relevanten Einflussfaktoren und Modellierung der Transformationsfähigkeit von Automobilzulieferern in Deutschland. – Zugl.: Dissertation. Universität Duisburg-Essen, 2021, Duisburg-Essen 2021.
Narkar, A. S.; Naik, T. P.: An Analysis of the Effect of E-mobility Trend on the Traditional Suppliers in the Global Automotive Industry. In: Advances in Mechanical and Materials Technology. Hrsg.: K. Govindan; H. Kumar; S. Yadav. Lecture Notes in Mechanical Engineering. Springer Nature Singapore, Singapore 2022, S. 273 – 282.